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Zeitreise durch die Forschung zu Hydrothermalquellen


An Tiefsee-Hydrothermalquellen gedeihen ganze Ökosysteme in völliger Finsternis. Am Anfang ihrer Nahrungskette stehen chemische Energieträger wie molekularer Wasserstoff. Seit ihrer Entdeckung werden Hydrothermalquellen im Zusammenhang mit dem Ursprung des Lebens diskutiert, weil die Erde dort die chemische Energie spendet. Die chemischen Bedingungen an Hydrothermalquellen sind für die Umwandlung von CO2 in organische Substanzen – die Bausteine des Lebens – förderlich. Stand eine solche Chemie am Anfang des Lebens?

Im Jahr 1977 entdeckte eine Gruppe von Meeresgeologen um Jack Corliss (geb. 1936) und Tjeerd van Andel (1923–2010) auf einer Expedition geothermisch aktive Hydrothermalquellen auf dem Meeresgrund im Galapagos Rift in der Umgebung der Galapagosinseln: Die Schwarzen Raucher. Die Wissenschaftler befanden sich auf dem Forschungs-U-Boot DSV Alvin, das von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) betriebenen wurde. Die entdeckten Geysire der Tiefsee stoßen Eisen- und Schwefelminerale aus, zudem Gase wie Methan und Schwefelwasserstoff. Proben der Schlote wurden während des Tauchgangs entnommen. Man fand eine dichte Besiedelung von Bakterien und Archaeen sowie großen Würmern – ein blühendendes Ökosystem fernab des Sonnenlichts. Seither vermuten Biologen, dass sich das Leben an solchen Hydrothermalquellen entwickelt hat, weil diese Energie und Nährstoffe liefern und geschützt sind vor Naturkatastrophen an der Oberfläche des Planeten.

Die zuerst entdeckten Hydrothermalquellen wurden als Schwarze Raucher bezeichnet. Sie beherbergen hochdiversifizierte Ökosysteme, deren Energiequelle größtenteils vom Vulkanismus am Meeresboden stammt. Ihre Schlote zeigen das Bild eines Urhabitats auf der frühen Erde, mit reaktiven Gasen, gelösten Übergangsmetallen und thermischen sowie chemischen Gradienten. Die Schwarzen Raucher, liegen in der Regel direkt über den Spreizungszonen am mittelozeanischen Rücken. Dort, wo die Kontinente auseinanderdriften, sitzt circa 1–3 km unterhalb des Meeresbodens eine Magmakammer. Durch Risse im Meeresboden in der Nähe der Spreizungszone fließt kaltes Meerwasser kilometerweit in die Erdkruste hinab, wo es in unmittelbare Nähe der Magmakammer (circa 800–1200 °C) gelangt. Das erhitzte Wasser steigt dann in einem Konvektionsstrom auf und tritt am Schwarzen Raucher mit einer Temperatur von bis zu 400 °C wieder ins Meer aus. Das austretende Wasser ist nicht nur sehr heiß, sondern auch sehr sauer (pH 2–3) und enthält große Mengen gelöster Metalle wie Eisen und Mangan sowie Wasserstoff (H2), Kohlenstoffdioxid (CO2), Schwefelwasserstoff (H2S) und Methan (CH4). So entsteht der Eindruck einer schwarzen Rauchwolke, die aus röhrenartigen Gebilden quillt. Die gelösten Gase bilden die Lebensgrundlage von mikrobiellen Gemeinschaften, die am Anfang der Nahrungskette der Ökosysteme an Schwarzen Rauchern stehen.

Bald nach ihrer Entdeckung wurden sie vom amerikanischen Biologen John Baross (geb. 1940) konkret in Zusammenhang mit dem Ursprung des Lebens diskutiert, weil diese Systeme geochemisch äußerst reaktive Bedingungen bieten, eine wichtige Voraussetzung für präbiotische Synthesen. Anhänger der Ursuppentheorie blieben aber extrem skeptisch, dass Hydrothermalquellen für den Ursprung des Lebens überhaupt relevant sein könnten. Immerhin ist das Wasser an der Austrittstelle von Schwarzen Rauchern bis zu 400 °C heiß, während der Temperaturrekord für mikrobielles Wachstum „nur“ bei 121 °C liegt.

Bald nach der Entdeckung der ersten Hydrothermalquellen wurden sie in Zusammenhang mit dem Ursprung des Lebens diskutiert, weil diese Systeme geochemisch äußerst reaktive Bedingungen bieten, eine wichtige Voraussetzung für präbiotische Synthesen. John Baross (geb. 1940), Jack Corliss (geb. 1936) und Sarah E. Hoffman waren die ersten Forscher*innen, die Hypothesen über eine Beziehung zwischen hydrothermalen Tiefseequellen und dem Ursprung des Lebens aufstellten. Sie schlugen vor, dass eine Mischung aus metallhaltigen Mineralien in Kontakt mit Gasen wie Kohlendioxid und Ammoniak zu präbiotisch wichtigen Bausteinen führt. Anhänger der Ursuppentheorie blieben aber skeptisch, dass Hydrothermalquellen für den Ursprung des Lebens überhaupt relevant sein könnten, da das Wasser an der Austrittstelle von Schwarzen Rauchern bis zu 400 °C heiß ist, während der Temperaturrekord für mikrobielles Wachstum „nur“ bei 121 °C liegt.

Auch der Chemiker Günter Wächtershäuser (geb. 1938) schlägt in einer Artikelserie zwischen 1988 und 1992 vor, dass die früheste Lebensform aus einem vulkanischen hydrothermalen Feld bei hohem Druck und hoher Temperatur stammt. Er stellte die Hypothese auf, dass sich frühes Leben auf der Oberfläche von Eisen-Schwefel-Mineralen gebildet haben könnte und etablierte den Begriff Eisen-Schwefel-Welt. Er koppelte die Bildung komplexer Biomoleküle an eine kontinuierlich verfügbare und verlässliche Energieversorgung. Die Energie komme dabei aus der Reduktion von Schwefel in Eisen-Schwefel-Mineralen wie Pyrit (FeS2) mit elementarem Wasserstoff (FeS2 + H2⇌ FeS + H2S). Die Reaktion liefere genug Energie, um eine präbiotische Ammoniaksynthese und auch eine Synthesereaktion für Bausteine von Biomolekülen und deren Polymerisierung anzutreiben. Seine Idee ist, dass, sobald ein primitiver autokatalytischer Metabolismus etabliert war, eine Chemie in Gang gesetzt wurde, die immer komplexere organische Verbindungen, immer komplexere Stoffwechselwege und immer komplexere katalytische Zentren hervorbrachte.

Die unterseeischen heißen Hydrothermalquellen wurden vor weniger als 50 Jahren entdeckt. Seit ihrer Entdeckung haben die Menschen sie als eine Alternative zu einer Ursuppe in Betracht gezogen. Diese Idee wird von ihren Kritikern oft mit der Begründung verworfen, dass Hydrothermalquellen einfach zu heiß sind, um irgendetwas mit der Entstehung des Lebens zu tun zu haben. Obwohl weniger warme Hydrothermalquellen seit mindestens 30.000 Jahren existieren, waren sie in den 1990er Jahren noch unbekannt. Noch bevor sie entdeckt wurden, dachte Michael J. Russell (geb. 1939) über den Ursprung des Lebens in Eisensulfidblasen an warmen, alkalischen Unterseequellen nach. Er schrieb dazu im Jahr 1994 in seinem Artikel "A hydrothermally precipitated catalytic iron sulphide membrane as a first step toward life" (Journal of Molecular Evolution 39, 231–243):

»Wir schlagen vor, dass das Leben aus wachsenden Aggregaten von Eisensulfidblasen hervorgegangen ist, die alkalische und stark reduzierte hydrothermale Lösungen enthalten. Diese Blasen wurden vor vier Milliarden Jahren hydrostatisch an sulfidischen heißen Quellen unter Wasser aufgeblasen, die in einiger Entfernung von ozeanischen Ausbreitungszentren liegen.« (S. 231)

Die Entstehung des Lebens an Hydrothermalquellen vom Typ Schwarze Raucher wurde von vielen Kritikern skeptisch gesehen, da die Umgebung dort zu heiß ist. Es stimmt zwar, dass bei etwa 400 °C kein Leben hätte entstehen können, aber es stimmt nicht, dass alle hydrothermalen Quellen so heiß sind. Einige hydrothermale Quellen sind viel kühler als die berühmten, ursprünglich entdeckten Schwarzen Raucher. Solche warmen, alkalischen Tiefsee-Hydrothermalquellen wurden im Jahr 2000 von Deborah Kelley (geb. 1958) und ihren Kollegen entdeckt, dessen austretendes Wasser eine Temperatur um die 40–90 °C hat. Diese Hydrothermalquellen befinden sich in einem Hydrothermalfeld namens Lost City (Verlassene Stadt). Es befindet sich in ca. 800 Metern Tiefe im Atlantis-Massiv, einem Gebirge am Grund des mittleren Atlantiks. Systeme wie Lost City haben sehr günstige Eigenschaften, wenn es um den Ursprung des Lebens geht. Ein sehr wichtiger Unterschied zwischen dem Lost-City-System und den Schwarzen Rauchern ist, dass Lost City einige Kilometer von der Spreizungszone entfernt liegt – mit der Folge, dass das Hydrothermalwasser zwar auch kilometertief durch die Erdkruste in einem Konvektionsstrom zirkuliert, aber nicht in Kontakt mit einer Magmakammer gerät. In der Erdkruste wird das absteigende Meerwasser auf etwa 150–200 °C erhitzt, beim Wiedereintritt ins Meer beträgt seine Temperatur jedoch nur noch etwa 40–90 °C. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass das Hydrothermalwasser bei Lost City durch Gestein fließt, das sehr viel Magnesium und Eisen und sehr wenig Kieselsäure enthält. Die Folge ist, dass das austretende Wasser bei Lost City sehr alkalisch ist (pH 9–11). Im Gegensatz zu den Schwarzen Rauchern, die eher kurzlebig sind, ist Lost City seit circa 100.000 Jahren aktiv. Das Austrittswasser bei Lost City enthält sehr viel Wasserstoff (H2), Methan (CH4), sowie andere kurzkettige Kohlenwasserstoffe, aber so gut wie kein Kohlenstoffdioxid (CO2). Hydrothermalquellen vom Typ Lost City bieten in vielerlei Hinsicht eine konzeptionelle Alternative zur Ursuppe. Sie katalysieren sogar chemische Reaktionen, die auffällige Ähnlichkeiten mit den energieliefernden Hauptreaktionen mancher Mikroorganismen zeigen.

Seit der Entdeckung der Hydrothermalquellen werden sie im Zusammenhang mit der Entstehung des Lebens diskutiert. In Hydrothermalquellen am Meeresboden wachsen Niederschlagsmembranen an der Grenze zwischen Meerwasser und mineralreicher Flüssigkeit, die aus der Quelle strömt, und bilden die charakteristischen Schlote. Solchen Membranen wird zunehmend eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Lebens zugeschrieben, ihre Bioenergetik ist jedoch unklar. Daher nutzen einige Wissenschaftler*innen die sogenannten Chemischen Gärten, um an ihnen Klarheit über den Ursprung des Lebens an Hydrothermalquellen zu gewinnen.

Der Chemische Garten ist ein faszinierendes Experiment aus der Chemie. Die Gärten bilden sich, wenn Metallsalzkristalle wie Eisenchlorid mit Wasserglas – einer sirupartigen Lösung aus Natriumsilikat – oder anderen Lösungen, die bestimmte Anionen enthalten, in Kontakt kommen. Die verdrehten Ausscheidungen, die aus dem Kristall sprießen, sind poröse Strukturen. Die kaminähnlichen Rohre brechen und bilden sich neu, wenn das Wasser, das durch sie fließt, Druck auf sie ausübt. Wenn ein solcher Schlot im alten (vermutlich sauren) Ozean existierte, hätte sich an der Schnittstelle zwischen Schlot und Ozean ein Gradient gebildet. Gradienten sind voller potenzieller Energie. In Lebewesen sind Gradienten so konserviert wie der genetische Code selbst. Die Biologie nutzt den Fluss von Ionen durch eine Zellmembran, um die Produktion des Energieträgers Adenosintriphosphat (ATP), einem vielseitigen Brennstoff, anzutreiben. Das Leben benötigt einen Vermittler für diesen speziellen Prozess (ein Protein), aber die Chemie von Lost City könnte die Reaktion katalysiert haben.

Die Frage nach der Herkunft von Methan, Wasserstoff und den kurzen Kohlenwasserstoffen im austretenden Hydrothermalwasser von Lost City führt uns zu einem überaus wichtigen und interessanten Prozess, der für den Ursprung des Lebens hochrelevant sein könnte: die Serpentinisierung. Die Serpentinisierung ist eine geochemische Reaktionsfolge in der Erdkruste, die durch Hydrothermalsysteme in Gang gesetzt wird. Benannt ist der Prozess nach dem Gestein Serpentinit, das dabei gebildet wird. Unterhalb von Lost City besteht der Meeresboden größtenteils aus Serpentinit. Bei der Serpentinisierung entsteht Wasserstoff aus Wechselwirkungen zwischen Wasser und Gestein in der Erdkruste. Wasser wird durch Risse in der Erdkruste (durch die Schwerkraft) bis in eine Tiefe von einigen Kilometern gezogen. Fasst man das Geschehen auf das Wesentliche zusammen, wird ein Teil des Eisens (Fe2+) im Mineral (Olivin) durch Wasser oxidiert (zu Fe3+), wie es im Gestein Magnetit vorliegt. Es entsteht Serpentinit und eisenhaltiges Brucit, welches wiederum mit Kieselsäure reagiert und wiederum Serpentinit, aber auch Magnetit entsteht. Die Oxidation hinterlässt bei Fe3+ ein Elektron weniger als es bei Fe2+ der Fall war. Das bedeutet, dass das eine Elektron irgendwo hingehen muss, es muss etwas reduziert werden. Wohin gehen die Elektronen während der Serpentinisierung? Sie produzieren Wasserstoff aus Wasser, das als Gas im Hydrothermalwasser gelöst ins Meer getragen wird. Einige Elektronen können auch zu Kohlenstoffdioxid (CO2) gehen, um organische Verbindungen (u.a. auch Methan) zu erzeugen. Dieser Prozess der organischen Synthese innerhalb der Erde ist sehr interessant im Kontext eines frühen Lebens. Wasserstoff ist für viele Mikroben auch heute noch eine lebenswichtige Form von chemischer Energie.

Serpentinisierung findet auch in den Hydrothermalsystemen unter Schwarzen Rauchern statt, aber unser Fokus für den Ursprung des Lebens bleibt bei Lost City, weil diese alkalisch und nicht zu heiß sind. Der alkalische pH-Wert ist die Folge des Prozesses: der Serpentinisierung.

Das Gestein am Meeresboden von Lost City besteht größtenteils aus Serpentinit. Dieses entsteht beim geochemischen Prozess der Serpentinisierung in der Erdkruste. Ein Nebenprodukt ist molekularer Wasserstoff (H2), aber auch Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan (CH4) können sich bilden. Der aus der Serpentinisierung stammende H2 reduziert kontinuierlich CO2. Die CO2-Reduktion steht am Anfang aller Ökosysteme, denn das Leben besteht aus reduzierten Kohlenstoffverbindungen, die letztendlich alle aus CO2 stammen. Möglicherweise liefern die geochemischen Reaktionen bei Lost City wichtige Hinweise auf den Übergang von geochemischen Prozessen zu biochemischer Evolution beim Ursprung des Lebens. Heute gibt es nur zwei Gruppen von Organismen, die CO2 in den globalen biologischen Kohlenstoff-Kreislauf einbringen: Photoautotrophe und Chemoautotrophe. Erstere nutzen die Energie des Sonnenlichts, um CO2 zu fixieren. Letztere nutzen rein chemische Energie, beispielsweise in der Form von H2, der als zentraler Elektronen-Spender im Stoffwechsel vieler Prokaryoten dient. Hier ragen anaerobe energieliefernde Stoffwechselreaktionen (= Reaktionen ohne die Beteiligung von Sauerstoff ) von Mikroben (Methanogene und Acetogene) hervor, an denen H2 als Elektronenspender beteiligt ist, weil sie Energie durch Reduktion von CO2 synthetisieren. So gibt es bemerkenswerte Parallelen zwischen der Chemie des H2/CO2-Paares, das in hydrothermalen Quellen vorkommt, und den energieliefernden Stoffwechselreaktionen einiger moderner prokaryotischer Organismen. Die Biochemie dieser Mikroben könnte wiederum Hinweise auf die Art von Reaktionen enthalten, die die Chemie des Lebens initiiert haben. Diese Idee wurde durch die Zusammenarbeit von William F. Martin (geb. 1957) von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Michael J. Russell (geb. 1939) immer konkreter. Martins Ansichten über die zentrale Rolle des Wasserstoffs im Kohlenstoffstoffwechsel passen in das geochemische Umfeld, das alkalische Hydrothermalquellen bieten. Der geochemische Ansatz von Kohlendioxid und Wasserstoff zu simplen organischen Molekülen und der biologische Ansatz, bei dem die molekulare Evolution in den Zellen betrachtet wird, führten beide Wissenschaftler zur selben Schlussfolgerung: Hydrothermalquellen vereinen die Geologie und Mikrobiologie, um der Erforschung einer der wichtigsten Fragen der Biologie neues Leben einzuhauchen – was ist der Ursprung des Lebens? Könnten die modernen Stoffwechselwege „geochemische Fossilien“ sein?

Alle verfügbaren geochemischen, mikrobiologischen, chemischen, physikalischen und bioinformatischen Informationen zu Hydrothermalquellen und ursprünglichen Mikroben machten es William F. Martin (geb. 1957) von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf möglich, ein Bild der Entstehung des Lebens an alkalischen Hydrothermalquellen zu generieren. Am Grund des Ozeans in den alkalischen Hydrothermalquellen, den Weißen Rauchern, fand die für den Ursprung des Lebens relevante Chemie statt. Das in der Erdkruste zirkulierende Wasser an den Hydrothermalquellen der Weißen Raucher kommt einer Magmakammer nie nah und hat bei Wiedereintritt in den Ozean eine Temperatur von unter 100 °C. Unter diesen Bedingungen findet der Prozess der Serpentinisierung statt, der für den Ursprung des Lebens sehr wichtig ist, denn sie erzeugt chemische Energie in Form von Wasserstoffgas. Dieser Wasserstoff ist die Energie- und Elektronenquelle beim Ursprung des Lebens. Der Wasserstoff kann mit der Oberfläche von Metallen und Mineralien reagieren, die in den Hydrothermalquellen produziert werden. Auf diesen Oberflächen trifft Wasserstoff auf Kohlenstoffdioxid und die Reaktion des Lebens läuft ab. Die Metalle aktivieren auch Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff, die auf der festen Oberfläche miteinander reagieren können. Da diese Reaktionen Energie freisetzen, gibt es nichts, was sie daran hindert, spontan abzulaufen. Die Produkte der Reaktionen können weiter reagieren und das Rückgrat des mikrobiellen Stoffwechsels entfaltet sich ganz natürlich. Je weiter die Verbindungen reagieren, desto stabiler werden die Produkte. Die stabilen Produkte können sich auf den Oberflächen der Hohlräume in den Hydrothermalquellen ansammeln, insbesondere in kühleren Regionen, ihre lokale Konzentration erhöhen und den Aufbau komplexerer Moleküle fördern. Die Produkte der organischen Synthese können selbst katalytisch aktiv sein. Wenn Produkte Reaktionen katalysieren, die in ihre eigene Synthese zurückfließen, können sich autokatalytische Netzwerke bilden. Autokatalytische Netzwerke organisieren sich selbst und schließen so eine Lücke zwischen chemischen Reaktionen und lebenden Zellen. Kontinuierlich angetrieben durch energiefreisetzende Reaktion von H2 und CO2, werden Übergänge zu höherer molekularer Komplexität möglich. Kleine Peptide (= kurze Aminosäureketten, Eiweiße) und Nukleinsäuren (wie RNA und DNA) können sich ansammeln. Dies ist die Grundlage des genetischen Codes, der die Synthese von Proteinen aus RNA-Vorlagen steuert. So werden hocheffiziente Katalysatoren und eine schnelle Beschleunigung der molekularen Organisation erzeugt. Während des gesamten Prozesses müssen jedoch ständig Vorläufer hinzugefügt werden, und das System bleibt von H2 und CO2 abhängig. Einige Hohlräume der Hydrothermalquellen sammeln genug Informationen, um anorganische Katalysatoren in genetisch codierte Proteine einzubauen. Die Reaktionsnetzwerke können zu freien lebenden Zellen werden, aber ihr Antrieb bleibt abhängig von der Reaktion von Wasserstoff und Kohlendioxid. Die ersten Bakterien und Archaeen nach dieser Theorie waren Acetogene bzw. Methanogene. Organismen, die von H2 und CO2 leben und noch heute die Erdkruste bewohnen. Diese Theorie zum Ursprung des Lebens an alkalischen Hydrothermalquellen erklärt anschaulich dieser Animationsfilm.

Mit zunehmenden Informationen über die geologischen Bedingungen an Hydrothermalquellen und Fortschritten in der Mikrobiologie und Bioinformatik wurde es möglich, die Geologie mit der Mikrobiologie zusammenzuführen und den letzten universellen Vorfahren allen Lebens (LUCA; engl. Last Universal Common Ancestor) zu rekonstruieren. LUCA nimmt eine zentrale Rolle bei Studien zur frühen Evolution und zum Ursprung des Lebens ein und verbindet die abiotische Phase der Erdgeschichte mit den ersten geochemischen Spuren mikrobiellen Lebens vor etwa 4 Milliarden Jahren. LUCA wurde lange als der gemeinsame Vorfahre von Mikroben (Bakterien, Archaeen) und Eukaryoten betrachtet. Neue Stammbäume des Lebens zeigen jedoch den Ursprung der Eukaryoten innerhalb der Archaeen. Somit wird LUCA zum gemeinsamen Vorfahren der Bakterien und Archaeen. Bis 2016 gab es keine Informationen, wo und wovon LUCA gelebt hat. Im Jahr 2016 konnten William F. Martin und sein Team 355 Gene identifizieren, die über LUCAs Lebensweise und seinen Lebensraum Auskunft geben. Diese Gene wurden mittels bioinformatischer Analysen mikrobieller Genomdaten ermittelt. Die Gene geben Auskunft darüber, dass die ersten Zellen wahrscheinlich in einer Umgebung, die heutigen Tiefsee-Hydrothermalquellen sehr ähnlich war, lebten: Eine geochemisch aktive Umgebung, die reich an H2, CO2 und Eisen war. LUCA war wahrscheinlich anaerob (lebte ohne Sauerstoff), wärmeliebend (thermophil) und lebte von Gasen: Wasserstoff (H2), Kohlenstoffdioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO) und Stickstoff (N2). Die von LUCA verwendeten Proteine sind reichlich mit Eisen-Schwefel-Zentren ausgestattet und erforderten Partner (Kofaktoren), bei denen Übergangsmetalle, wie Eisen, Nickel und Molybdän, eine tragende Rolle spielen.

Auch wenn LUCA nur ein theoretisches Konstrukt darstellt, das eine „halb-lebende“ Zelle war, die in den kleinen Kompartimenten eines Schlotsystems von alkalinen Hydrothermalquellen von der bereitgestellten Geochemie lebte, ähnelt diese mikrobielle Ökologie doch sehr der heutiger acetogener Bakterien und methanogener Archaeen, den physiologisch ursprünglichsten Mikroben.

Die ersten lebenden Zellen auf der Erde lebten von chemischer Energie. Alles was für das Gedeihen erforderlich ist, war in Gesteinen, Metallen, Kohlenstoffdioxid (CO2), Wasser und dem Wasserstoff (H2) aus hydrothermaler Aktivität vorhanden. Weder Sonnenlicht, noch ultraviolettes Licht (UV) waren erforderlich, um die ersten Zellen zu bilden oder am Leben zu halten. Daraus folgt, dass auf der Suche nach weiterem Leben in unserem Sonnensystem Licht kein limitierender Faktor sein muss. Wenn man nach außerirdischem Leben sucht, geraten daher weit entfernte Monde wie Enceladus in den Fokus des Interesses: Er umkreist den Planeten Saturn. Auf ihm gibt es unter einer vereisten Oberfläche einen flüssigen Ozean aus Wasser, sein Kern ist steinern und metallreich und an seinem Südpol wurde eine sehr hohe hydrothermale Aktivität nachgewiesen. So eine chemische Umgebung könnte prinzipiell das Entstehen von Leben unterstützen. Ob zukünftige Missionen zu Enceladus Hinweise für die Existenz von komplexen chemischen Reaktionen erbringen werden, oder gar molekulare Bausteine des Lebens finden werden, bleibt abzuwarten. Es ist aber durchaus möglich, dass zumindest eine interessante Gestein-Wasser-Kohlenstoff-Chemie dort in völliger Dunkelheit, unter dem Eis eines weit entfernten Mondes stattfindet.

Am 14. April 2023 startete die ESA-Mission „Juice“ zu dem mehr als 600 Millionen Kilometer entfernten Planeten Jupiter. Sie soll erforschen, ob es auf den drei größten Eismonden des Planeten (Europa, Ganymed und Callisto) Lebensräume unter kilometerdicken Eiskrusten gibt. Obwohl der Mond Europa deutlich kleiner als die Erde ist, gibt es dort Ozeanschichten größer als alle Ozeane der Erde zusammengenommen. Am Grund des riesigen Ozeans werden hydrothermale Schlote und Quellen vermutet, wie man sie von der Erde kennt. Dort könnte sich primitives Leben entwickeln. Von 2031 an soll die Mission neue Erkenntnisse liefern über mögliche Grundlagen für außerirdisches Leben. Es bleibt spannend.


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